Mitarbeiterbindung – 50 Shades of madness

Gut ausgebildete und hoch motivierte Fachkräfte sind der Schlüssel für unternehmerischen Erfolg. Hat man endlich die Mitarbeiter am Markt gefunden und diese für sein eigenes Unternehmen gewinnen können, wird viel Energie, Know-how und Zeit in die Ausbildung und Integration der neuen Schützlinge investiert. Klar, dass somit auch der „Wert“ der Person steigt und ein Retention-Risiko möglichst vermieden werden sollte.

Was sie alle gemeinsam haben ist die Tatsache, dass sie das Retention-Risiko des Unternehmens minimieren wollen.mouse-trap-cheese-device-trap-633881.jpeg

Aber wie bewege ich eine Person sich an mein Unternehmen zu binden und möglichst lang, gewinnbringend für jenes tätig zu sein? Unzählige Managementratgeber, Beratungsgesellschaften, Tools von Start-Ups und Experten-Foren liefern dafür eine schier unbegrenzte Anzahl an Möglichkeiten, Handlungsempfehlungen oder Folienschlachten. Was sie alle gemeinsam haben ist die Tatsache, dass sie das Retention-Risiko des Unternehmens minimieren wollen.

Die Spanne reicht dabei von Feedback-Tools über Entgeltoptimierungskonzepten, hin zu Workshops, Events und anderen Bespaßungsprogrammen, um das Leben des Angestellten angenehmer zu machen und so die Wechselwilligkeit zu minimieren. Jeder Ansatz hat seine Daseinsberechtigung und liefert einen wertvollen Beitrag zum Gesamtbild, was die zahlreichen Erfolgsgeschichten belegen.

Ein weiterer Baustein bilden Bindungsstrategien auf Basis von Abhängigkeiten. So werden Wettbewerbsverbote, extrem lange Kündigungsfristen, Vertragsstrafen oder verzweigte Bonusvereinbarungen missbraucht, um den Wechsel zu einem anderen Unternehmen zu behindern oder gar gänzlich unattraktiv zu gestalten. Dies klingt auf den ersten Blick gut und nach einem möglichst hohen Maß an Sicherheit für das bindende Unternehmen.

Aber ist das die Art und Weise, wie ich einen Menschen dazu bewege bei mir zu bleiben und sich bestmöglich einbringt?

HR-Abteilungen sollten sich die Zeit nehmen und sich ihre Landschaft der Bindungsmaßnahmen visualisieren.pexels-photo-955447.jpeg

Wer hat schon einmal versucht seine Freunde zu sich nachhause einzuladen und diese durch Anlegen einer Eisenkette und der Verriegelung der Wohnungstür am Gehen zu hindern? Glaubt man wirklich, dass diese Freunde gerne bleiben, sich mit einem unterhalten möchten oder zusammen lachen? Wird dadurch die Freundschaft intensiviert?

Wahrscheinlich wird mein Beispiel bei einigen Lesern dazu führen, dieses als absurd abzustempeln, aber der Vergleich hat seine Daseinsberechtigung.

Ein Arbeitsverhältnis verhält sich wie eine Freundschaft oder Beziehung, darf aber viel mehr Distanz zulassen. Der gravierende Unterschied bezieht sich dabei lediglich auf die Erbringung von Leistungen im Wechselverhältnis, welche in der Regel bei privaten Sozialbeziehungen nicht vorkommen.

Trotzdem ist die Analogie klar erkennbar und die daraus resultierenden Schlüsse werden greifbarer.

HR-Abteilungen sollten sich die Zeit nehmen und sich ihre Landschaft der Bindungsmaßnahmen visualisieren. Eine Checkliste kann bei der Identifizierung von vermeintlichen Knebel-Maßnahmen helfen.

Folgende Fragen sollte man sich bei der Betrachtung stellen:

  1. Welches Werkzeug wird bei der Maßnahme angewandt?
    1. Hier wird analysiert, ob es sich dabei um eine monetäre Zuwendung, eine Sachleistung, eine Förderung sozialer Aktivitäten, zeitlicher Flexibilisierung oder ein anderes Werkzeug handelt. Es sollte hier bereits versucht werden weit gefasste Oberbegriffe zu wählen damit eine spätere Clusterung erfolgen kann.
  2. Ist die Maßnahme an Bedingungen geknüpft?
    1. Kann ein Mitarbeiter die Leistungen nur erhalten, wenn er etwas im Gegenzug tun muss oder erhält er diese als freiwillige Zusatzleistung? Müssen ggf. Verträge unterschrieben werden oder bindet sich der Mitarbeiter für eine feste Zeit an das Unternehmen bzw. führt ein Austreten aus der Maßnahme zu Komplikationen für die Einzelperson?
  3. Wie hoch ist die Teilnahmequote an der Maßnahme?
    1. Eine niedrige Teilnahmequote an einer Maßnahme signalisiert entweder eine nicht ausreichende oder unverständliche Kommunikation der Maßnahme und der damit verbundenen Inhalte oder eine Ablehnung. Eine geringe Teilnahmequote hat nicht nur zur Folge, dass das Ziel nicht erreicht wird, sondern es werden vielmals auch unnötig Ressourcen gebunden, um die Maßnahme zu administrieren.
  4. Würde ich (falls ich es nicht tue) an der Maßnahme teilnehmen?
    1. Würde man selbst an der Maßnahme teilnehmen? Oder hat man doch zu große Bauchschmerzen, da man die Nachteile sieht und diese sogar für einen selbst überwiegen. Ehrlichkeit ist bei der Beantwortung der Frage wichtig, denn es ist ein ausschlaggebender Indikator, ob die Maßnahme wirklich weitergeführt werden sollte.
  5. Was kostet mich die Maßnahme?
    1. HR ist nicht gerade dafür bekannt Dinge mit Preisschildern zu versehen, jedoch ist dieses wichtig um eine standhafte Bewertung der Maßnahme zu gewährleisten. Falls die notwendigen Zahlen nicht vorliegen binden Sie Kollegen aus dem Controlling mit ein, welche zusätzlich mit Methodenwissen unterstützen können.
    2. Eine Maßnahme, welche horrende Kosten verursacht aber auf keine Akzeptanz oder Resonanz trifft sollte sanft aus dem Portfolio gestrichen werden.

Bilden Sie am Ende der Betrachtung der Einzelbetrachtungen ein Gesamtbild und kommen zu einem pragmatischen Urteil. Die Entwicklung einer Argumentationskette und entsprechender Diskussionsunterlagen ist hilfreich, wenn man sich schon die Arbeit gemacht hat. Diese können dann zu gegebenen Anlass aus der Schublade geholt und für Diskussionen zu den Themen genutzt werden.

Auch eventuelle Mitbestimmungsrechte dürfen nicht unbeachtet bleiben.

Auch hier gilt, dass eine gute und ohne Zeitdruck erstellte Argumentationsgrundlage zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen wird, da man nicht überrascht ist, wenn der entsprechende Entscheider die Diskussionsrunde eröffnet.

In diesem Zusammenhang werden einige Maßnahmen aussortiert werden können und aus dem Portfolio verschwinden. Bei der Abschaffung von Maßnahmen ist jedoch darauf zu achten, dass Mitarbeiter nicht das Gefühl bekommen, dass ihnen etwas weggenommen wird. Informationen sollten rechtzeitig und mit genug Vorlauf kommuniziert werden. Auch eventuelle Mitbestimmungsrechte dürfen nicht unbeachtet bleiben.

Verpassen sie ihren Bindungsmaßnahmen eine Schlankheitskur und heben sie Effizienzgewinne, welche bisher verborgen blieben. Und Finger weg von den Corporate-Bondage-Tools…

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